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Recht auf die eigenen Sprachen

Wir sehen uns in unserer Arbeit im Rahmen der Pädagog*innenbildung der forschungsgeleiteten Lehre verpflichtet: weder aus linguistischer noch aus pädagogischer Sicht sind Sprachverbot geeignete Mittel, um Sprachenlernen und ein friedliches und respektvolles Miteinander zu befördern. Im Gegenteil: zahlreiche Beispiele aus der Geschichte haben gezeigt, dass Sprachverbote eine Form des Rassismus sind, der Ausgrenzung und Diskriminierung fördert. Denn wie Jim Cummins sagt: „Wer eine Sprache eines Kindes ablehnt, lehnt das Kind ab“ (Cummins 2021, S. 19).

Wir nehmen neben wissenschaftlichen Grundlagen auch die gesetzlichen Vorgaben, die sich klar gegen Ausgrenzung und Diskriminierung und für ein respektvolles Miteinander in Vielfalt aussprechen, sehr ernst und gestalten unsere Angebote für Pädagog*innen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung und Schulentwicklung in diesem Sinn.

In den neuen Lehrpläne für den Pflichtschulbereich, die mit 2.1.2023 erlassen wurden, wird definiert und festgeschrieben, dass es die Aufgabe der Lehrer*innen ist, die Lernenden mit Wertschätzung so abzuholen, wie sie in den schulischen Lernprozess einsteigen und alle im Sinne eines inklusiven Unterrichts bei ihrem individuellen Kompetenzerwerb zu begleiten. So heißt es zum Beispiel in „Grundsatz 3: Alle an der Unterrichtsorganisation beteiligten Personen kooperieren und ermöglichen einen inklusiven Unterricht an der Schule“ in den allgemeinen didaktischen Grundsätzen der Lehrpläne (S. 4-6):

Schule hat die Aufgabe, die Heterogenität von Schülerinnen und Schülern als Chance für das
gemeinsame Lernen sowie für die Entwicklung von sozialer Kompetenz, Konfliktfähigkeit und
Ambiguitätstoleranz wahrzunehmen. […] Dabei schaffen Lehrerinnen und Lehrer individuelle und diskriminierungsfreie Lern-, Entfaltungs-und Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und unabhängig von sozioökonomischer Herkunft bzw. Erstsprache. Sie unterstützen Inklusion und pflegen einen konstruktiven Umgang mit Diversität.

In „Grundsatz 6: Alle am Schulleben Beteiligten pflegen einen respektvollen Umgang miteinander“ wird dezidiert der Wert und die Bedeutung des Beherrschens mehrere Sprachen hervorgehoben.

Schülerinnen und Schüler sollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Vielfalt eine Realität ist, die auch eine wertvolle Ressource darstellt. Schülerinnen und Schüler sollen unter anderem erfahren, dass das Lernen und Beherrschen mehrerer Sprachen von entscheidender Bedeutung für die individuelle Identitätsbildung, die Teilhabe an Gesellschaft und Kultur sowie das Miteinander in einer mehrsprachigen Welt ist.

Darüber hinaus ist Interkulturelle Bildung als übergreifendes Thema (S. 10-11) in den neuen Lehrplänen verankert. Dazu heißt es unter anderem:

Interkulturelle Bildung ist den Menschenrechten sowie den Prinzipien der Menschenwürde und der Gleichheit aller Menschen verpflichtet und fördert das Verständnis von und den Umgang mit Vielfalt, macht Potenziale sicht-und nutzbar und leistet einen Beitrag zur Dialogkompetenz innerhalb der Klassen-und Schulgemeinschaft. Sie setzt an den Vorerfahrungen und Sichtweisen von Schülerinnen und Schülern an und nützt biographische, linguistische und weitere geeignete Ansätze, um die Vielfalt von Kulturen, Biographien und Lebensentwürfen zu bearbeiten.

Nicht zuletzt möchten wir darauf hinweisen, dass unter den zentralen Kompetenzzielen, die die Schüler*innen bereits am Ende der Grundschule erreichen (Abschnitt 5.2,S. 11), explizit jene angeführt werden, die sicherstellen, dass ein Zusammenleben in Vielfalt gelingen kann:

Die Schülerinnen und Schüler können:

  • vielfältige Lebensentwürfe und Biographien als gesellschaftliche und schulische Normalität wahrnehmen und respektvoll damit umgehen.
  • soziale, kulturelle, sprachliche und andere Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten wahrnehmen und ihre Bedeutung erklären.
  • ausgrenzende, rassistische, sexistische Aussagen und Handlungsweisen hinterfragen und dagegen auftreten.

Diese Passagen aus den jüngst erlassenen Lehrplänen stehen in einem diametralen Gegensatz zum Vorschlag Deutsch als Pausensprache vorzuschreiben und damit die Verwendung anderer Sprachen zu verbieten.

Wir arbeiten aus Überzeugung und mit Engagement im Sinne der Umsetzung der hier formulierten Ziele der Lehrpläne im Rahmen der Pädagog*innenbildung und lehnen Sprachgebote und Sprachverbote daher ab.

Cummins, J. (2001). Bilingual Children’s Mother Tongue: Why is it important for Education? Sprogforum, 19, 15-20. http://www.lavplu.eu/central/bibliografie/cummins_eng.pdf