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Mehrsprachigkeit

Mehrsprachigkeit bezeichnet einerseits die Fähigkeit eines Menschen, mehr als eine Sprache zu sprechen. Andererseits versteht man unter diesem Begriff die Geltung oder verbreitete Anwendung mehrerer Sprachen in einer Gesellschaft, einem Sprachgebiet oder einem Staat. Man unterscheidet zwischen individueller, gesellschaftlicher und institutioneller Mehrsprachigkeit.

Wenn man eine neue Sprachmutter hat, kann man eine zweite Kindheit erleben.
(Yoko Tawada)

Mehrsprachigkeit im gesellschaftlichen Kontext

Das Bild, dessen sich die deutsch-japanische Schriftstellerin Yoko Tawada hier bedient, zeigt wie dringend notwendig es ist, Mehrsprachigkeit neu zu denken. Indem Tawada den aus  Sicht der Forschung kritisch zu hinterfragenden Begriff der „Muttersprache“  umkehrt, entwirft sie ein Bild, das die Vorstellung vermittelt, in einer Sprache „neu geboren zu werden“. Mehrsprachigkeit unterscheidet nicht zwischen der Sprache, die vermeintlich von der Mutter („Muttersprache“) vererbt wird, und anderen zusätzlichen Sprachen im Sinne einer „Vielsprachigkeit“ (also viele Erstsprachen in einer Person).
Mehrsprachigkeit ist eine Bereicherung und eine Chance den sprachlichen Horizont und somit den Blick auf die Welt zu erweitern. In und durch Mehrsprachigkeit entsteht so ein dynamisches Wechselspiel zwischen den verschiedenen Sprachen. Das Neue ist somit nicht die jeweils zusätzlich erworbene Sprache, sondern die Verbindungen, die durch Sprachen (immer wieder) neu entstehen.
Einen anderen Zugang zum längst alltäglich gewordenen Phänomen der Mehrsprachigkeit in einer globalisierten Gesellschaft zu wählen, bedeutet überholten Vorstellungen, Konzepten und Vorurteilen keinen Raum mehr zu geben.

Mehrsprachigkeit im Kontext des Bildungswesens

Der modernen Mehrsprachigkeitsforschung nach entwickelt der mehrsprachige Mensch andere kognitive Qualitäten als der einsprachige. Eine der zentralsten Erkenntnisse der letzten Jahren ist die, dass Mehrsprachigkeit eine für sich genommene, also eine grundsätzlich neue und andere Kompetenz und keine Teilkompetenz ist. Mehrsprachigkeit ist also nicht als die Summe mehrerer separater Sprachen vereint in einem/einer Sprecher_in zu betrachten, sondern vielmehr als ein Pool sprachlicher Ressourcen (Sprachvariationen, Stil, Genres, Akzente Register etc.).
Aus diesem Grund wird Mehrsprachigkeit – im Gegensatz zu Einsprachigkeit – als eine komplexe, ganzheitliche und somit grundlegend andere Kompetenz gesehen. Diese Kompetenz regelt sowohl den Spracherwerb und das Sprachenlernen, als auch grundlegende soziale und interkulturelle Verhaltensweisen.

Mehrsprachigkeit ist grundsätzlich weder als eine bloße additive Ergänzung  zu anderen bildungswissenschaftlichen Bereichen zu sehen, noch als eine bloße Erweiterung der einzelnen Sprachdidaktiken.

Mehrsprachigkeit im Rahmen der „Inklusiven Pädagogik“

Im Kontext einer „Inklusiven Pädagogik“ kann und darf „Anderssprachigkeit“ (Mehrsprachigkeit) nicht mit „Behinderung“ und Defiziten assoziiert werden. Ein derartiges Verständnis würde ein veraltetes monolinguales Bildungskonzept unterstützen und läuft den aktuellen Erkenntnissen der Mehrsprachigkeitsforschung zuwider.

Links

schule-mehrsprachig.at

Unterrichtsmaterialien, Informationen und Tipps zum Thema Mehrsprachigkeitsdidaktik

PlurCur

Das Projekt testet und evaluiert das Konzept des Gesamtsprachencurriculums.

www.voxmi.at

Projekt voXmi: Voneinander und miteinander Sprachen lernen und erleben

LAILA Projekt

LAILA (Linguistic Awareness in Language Attriters) ist eine sprachwissenschaftliche Langzeitstudie.

www.mercator-network.eu

EU funded project connecting multilingual communities across Europe.

Publikationen

Deutsch

Hufeisen, Britta (2011). Gesamtsprachencurriculum: Weitere Überlegungen zu einem prototypischen Modell. In: Baur, Rupprecht/Hufeisen, Britta (Hg.), „Vieles ist sehr ähnlich.“ – Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe. Schneider-Verlag Hohengehren. Baltmannsweiler, 265-282.

English

Baker, Colin (2011). Foundations of bilingualism and bilingual education (5th ed). Clevedon: Multilingual Matters.

Boeckmann, Klaus Börge (2011). Promoting plurilingualism : majority language in multilingual settings. Strasbourg: Council of Europe.

Cenoz, J., Hufeisen, B., & Jessner, U. (Eds.). (2001). Crosslinguistic Influence in Third Language Acquisition. Clevedon: Multilingual Matters.

Creese, Angela (2005). Teacher Collaboration and Talk in Multilingual Classrooms. Clevedon: Multilingual Matters.

García, Ofelia, Tove Skutnabb-Kangas and María E. Torres-Guzman (Eds.) (2006). Imagining Multilingual Schools: Language in Education and Glocalization. Clevedon: Multilingual Matters.

Gorter, Durk (Eds.) (2006). Linguistic Landscape: A new approach to multilingualism. Clevedon: Multilingual Matters.

Herdina, P., & Jessner, U. (2002). A dynamic model of multilingualism: Perspectives of change in psycholinguistics. Clevedon: Multilingual Matters.

Weber, Jean-Jacques and Kristine Horner (2012) Introducing multilingualism: A social approach. London: Routledge.