Sprachliche Vielfalt verstehen, wertschätzen, ausbauen

Einleitung

„Dialekt ist ein falsches Deutsch!“ „Leute, die Standarddeutsch sprechen, sind arrogant!“ Diese und andere stereotypen Einstellungen zu Varietäten wie Dialekt und Hochdeutsch sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet und können für den Lernerfolg im Unterricht hinderlich sein. Um diese Stereotypen im Deutschunterricht bewusst zu machen, zu reflektieren und zu hinterfragen haben wir im Rahmen von zwei Projekten, dem Interreg-Projekt Mit’n Redn kemman d’Leit z‘somm und dem Land-Salzburg-Projekt Sprachliche Vielfalt verstehen, wertschätzen, ausbauen, Unterrichtsmaterialien erstellt. Dabei arbeiteten wir in einem Team aus Fachgermanist:innen und Lehrkräften der Paris-Lodron-Universität Salzburg mit Unterstützung der PH Salzburg und dem Förderverein Bairische Sprache und Dialekte zusammen. Die BIMM-Themenplattform ermöglicht es uns nun, die Unterrichtsmaterialien Lehrkräften in ganz Österreich zum Gratisdownload zur Verfügung zu stellen. Die Zielgruppe sind Deutschlehrkräfte der Sekundarstufe I & II sowie Primarschullehrkräfte – wir haben für alle drei Altersgruppen Materialien kreiert. Zentrale Themen darin sind

-die innere Mehrsprachigkeit, also unterschiedliche Sprachformen innerhalb einer Sprache (z.B. Dialekte und Standardsprache),

-Einstellungen, die gesellschaftlich zu diesen Sprachvarietäten existieren.

Die einzelnen Module ermöglichen Ihren Schülerinnen und Schülern, sich intensiv mit ihren eigenen Einstellungen zu Sprache und denen ihres Umfelds zu beschäftigen. Durch zahlreiche Aktivitäten und die Schaffung neuen Wissens über Sprache und Sprachvariation sollen Reflexionsprozesse angeregt werden, die stereotype Vorstellungen zu bestimmten sprachlichen Varietäten und zu deren Sprecherinnen und Sprechern kritisch hinterfragen und damit einen bewussteren Umgang mit Sprache fördern. Die kritische Auseinandersetzung mit Spracheinstellungen stellt eine wichtige Grundlage für eine bewusste Teilhabe an der Gesellschaft dar.

Die Module erfüllen zentrale Inhalte der Deutschlehrpläne sowie Bildungsstandards.

 

 

  • Einleitung_Kinder

Zusatzmaterial Einführung

 

Wir bedanken uns für Ihr Interesse und wünschen Ihnen viel Freude beim Unterrichten! Das Spravive-Projektteam: Eugen Unterberger, Cordula Pribyl-Resch, Andrea Ender, Irmtraud Kaiser, Simone Kalchgruber, Magdalena Schobersberger und Barbara Hauser

Inhalte der Unterrichtsmaterialien und Handreichungen

Unsere Materialien bestehen einerseits aus den Unterrichtsmaterialien für die Schülerinnen und Schülern und andererseits aus Handreichungen für die Lehrkräfte.

In den Handreichungen befinden sich methodisch-didaktische Hinweise und wissenschaftliche Hintergrundinformationen für die einzelnen Aufgaben sowie ein Anhang mit Zusatzmaterialien. Zugleich enthalten die Handreichungen Verlaufspläne für die einzelnen Unterrichtseinheiten wie in folgendem Beispiel ersichtlich:

  • Einleitung_Beispiel Verlaufsplan

 

 

 

Die Unterrichtsmaterialien sind in fünf Module gegliedert, die jeweils aus mehreren Aufgaben zusammengesetzt sind. Jedes Modul sollte in ca. zwei Unterrichtseinheiten zu schaffen sein.

Die Materialien sind für drei unterschiedliche Altersstufen konzipiert: Primarstufe (ca. 3.–4. Schulstufe), Sekundarstufe I (ca. 5.–7. Schulstufe) und Sekundarstufe II (ca. 9.–11. Schulstufe) – selbstverständlich können durch verschiedene Adaptionen und Kombinationen von Aufgaben die Materialien auf jede Lernendengruppe abgestimmt werden. In jeder Modulbeschreibung finden Sie den Link zum Download für alle drei Altersstufen der Unterrichtsmaterialien sowie der Handreichungen.

Manche Aufgaben benötigen Zusatzmaterialien, um gelöst werden zu können. Diese finden Sie jeweils in den einzelnen Modulen unter den Downloads der Unterrichtsmaterialien und Handreichungen.

Modul 1: Meine, deine, unsere Sprachen

In diesem Modul stehen die individuelle Mehrsprachigkeit, der Sprachgebrauch und die (sprachliche) Identität der Schülerinnen und Schüler im Zentrum.

Zu Beginn wird gezeigt, dass alle Schülerinnen und Schüler eine Form der Mehrsprachigkeit besitzen, da sie einerseits unterschiedliche Varietäten des Deutschen (z.B. Hochdeutsch, Dialekte) verstehen. Viele verwenden diese Varietäten auch aktiv, manche beherrschen darüber hinaus weitere Sprachen.

Danach wird darauf eingegangen, dass man in unterschiedlichen Situationen bzw. mit unterschiedlichen Personen unterschiedlich spricht: dass Sprachgebrauch also von Personen und Situationen geprägt ist. Durch den Austausch in der Klasse wird deutlich, dass Sprachvariation etwas Alltägliches ist.

Abschließend wird die identitätsstiftende Funktion von Sprache hervorgehoben und reflektiert.

 

Zusatzmaterial Modul 1

 

 

Modulziele

Die Schülerinnen und Schüler

– lernen die Konzepte der inneren und äußeren Mehrsprachigkeit sowie deren Vorteile kennen.

– kennen die Begriffe Standarddeutsch, Umgangssprache und Dialekt und beziehen sie auf ihre eigene Sprachverwendung.

– begreifen Sprache als Bestandteil ihrer Identität.

Modul 2: Gemeinsam Dialekt erforschen

In diesem Modul beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit dem lokalen Dialekt und sollen dabei erkennen, dass auch Dialekt ein regelhaftes Sprachsystem ist. Entgegen der oft geteilten Meinung, Dialekt sei „falsches“ oder „vereinfachtes“ Deutsch, entdecken die Schülerinnen und Schüler nicht nur die Systemhaftigkeit hinter der regionalen Varietät, sondern lernen auch Beispiele kennen, in denen Dialekt produktiver oder „grammatischer“ ist als Standarddeutsch, genauso wie es auch im Standarddeutschen grammatische Formen gibt, die die bairischen Dialekte nicht kennen (z.B. Genitiv). Zentral ist in diesem Modul daher die Beschäftigung mit einem Dialektfragebuch, ähnlich, wie es auch in der dialektologischen Forschung zum Einsatz kommt.

Der Erkenntniszuwachs wird den Schülerinnen und Schüler anhand eines einführenden und zum Abschluss erneut behandelten Concept Cartoons bewusst gemacht. Dieser dient dazu, sich mit der Kategorie der sprachlichen Korrektheit von Dialekt und Standarddeutsch auseinanderzusetzen, welche nach Abschluss dieses Moduls differenzierter betrachtet werden sollte.

 

Zusatzmaterial Modul 2

 

Hörbeispiele „Mädchen“: Für Primarstufe & Sekundarstufe I sind nur die ersten fünf Hörbeispiele gedacht.

  • Hoerbeispiel 1_hochalemannisch_bern
  • Hoerbeispiel 2_thueringisch_geisler
  • Hoerbeispiel 3_mecklenburgisch_rostock
  • Hoerbeispiel 4_ostfraenkisch_sued_crailsheim
  • Hoerbeispiel 5_suedbairisch_sarnthein

 

 

Sprechblasenaussagen zum Concept Cartoon

 

 

Modulziele

Die Schülerinnen und Schüler

– lernen verschiedene Dialektgebiete des deutschsprachigen Raumes kennen.

– können zentrale Merkmale des lokalen Dialekts beschreiben.

– erkennen, dass Dialekt ein eigenständiges (und nicht „vereinfachtes”), regelhaftes Sprachsystem ist, und können beispielhafte Regeln für den lokalen Dialekt formulieren.

– wissen, dass der Dialekt als eigenes Sprachsystem nicht falsch ist.

 

 

  • Hoerbeispiel 6_rheinfraenkisch_mannheim
  • Hoerbeispiel 7_nordbairisch_geigant
  • Hoerbeispiel 8_schwaebisch_jungingen
  • Hoerbeispiel 9_suedmittelbairisch_maishofen
  • Hoerbeispiel 10_ostmittelbairisch_wien

 

 

Dialekt-Sprechen leicht gemacht

Modul 3: Altes Deutsch – neues Deutsch

Als Einstieg dient ein Überblick über die indogermanischen Sprachen, wodurch die Verwandtschaft der deutschen mit anderen Sprachen aufgezeigt wird. Anhand realer Sprachbeispiele wird sichtbar, dass auch heute noch die gemeinsamen Wurzeln erkennbar sind.

Danach geht es um die zeitliche Komponente und um den Begriff „Hochdeutsch“. Die Schülerinnen und Schüler lernen historische Sprachstufen des Deutschen kennen und beschäftigen sich mit einem mittelhochdeutschen Text, den sie auf Dialekt und Standarddeutsch übersetzen. Damit wird nicht nur gezeigt, dass Sprachwandel etwas Natürliches und Kontinuierliches ist, sondern auch, dass dialektale Formen älter sind als das Standarddeutsche und somit auch keine „degenerierte“ oder „reduzierte“ Form des Standarddeutschen darstellen.

Daran anknüpfend werden gesellschaftlich wichtige Ereignisse vermittelt, die zur Ausbildung unserer heutigen Standardsprache geführt haben. So wird der Zusammenhang zwischen Sprachgebrauch bzw. Sprachentwicklung und sozialer Funktion verdeutlicht.

Abschließend wird gezeigt, dass Dialekt wie jede lebende Sprache etwas Dynamisches und Produktives ist.

 

Zusatzmaterial Modul 3

 

  • Mittelhochdeutsches Gedicht (weibliche Stimme)
  • Mittelhochdeutsches Gedicht (maennliche Stimme)

 

 

Modulziele

Die Schülerinnen und Schüler

– erkennen die historische und globale Verbindung zwischen der deutschen und anderen indogermanischen Sprachen.

– können den Begriff „Hochdeutsch“ erklären.

– wissen, dass der bairische Dialekt alte Wurzeln hat und auch ein produktives Sprachsystem ist.

– lernen, dass die Standardsprache eine vergleichsweise junge Sprachform ist, die konstruiert wurde.

 

 

 

 

Video zur Entwicklung der Standardsprache:

 

Modul 4: Das sagt man (nicht)!?

Zentral in diesem Modul ist die Beschäftigung mit der Kategorie der Angemessenheit, die gedanklich oft in starker Nähe zur Frage nach der „Korrektheit“ einer Aussage steht, die bereits in Modul 2 behandelt wurde und somit einen guten Anknüpfungspunkt bildet.

Ausgehend von eigenen Überlegungen und auf Basis von zwei Textbeispielen – einem Chatverlauf zwischen Freunden sowie einem diesem gegenübergestellten Schulbuchtext – erfolgt eine Annäherung an die Kategorie der Angemessenheit einer Sprachverwendung. Denn je nach Kontext (Situation, Ort, Gesprächspartner usw.) kann die eine Sprachform (z.B. Dialekte, Umgangssprachen, Standardsprachen) angemessener sein als eine andere.

Auf Basis der beiden Textbeispiele erarbeiten die Schülerinnen und Schüler darüber hinaus Merkmale der „Sprache der Nähe“ und „Sprache der Distanz“. Diese Konzepte stehen ebenso in Zusammenhang mit Angemessenheit, da sie dabei helfen können, die Angebrachtheit einer Sprachform in unterschiedlichen Situationen zu evaluieren. Der Chatverlauf wird erneut herangezogen, um über die Funktionen von Jugendsprache nachzudenken.

Einen abschließenden Schwerpunkt bildet die Auseinandersetzung mit bzw. Widerlegung von Sprachmythen, die in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind und deren Hinterfragen helfen kann, stereotypen Einstellungen entgegenzuwirken.

 

Zusatzmaterial Modul 4

 

Modulziele

Die Schülerinnen und Schüler

– kennen Merkmale und Unterschiede der Sprache der Nähe und Sprache der Distanz.

– wissen, dass ihre Art zu sprechen und zu schreiben vor allem eine Frage der Angemessenheit ist.

– sind sich der Funktionen von Jugendsprache bewusst.

– kennen gängige Sprachmythen und können zu diesen Stellung nehmen.

 

Modul 5: Vorhang auf: Das haben wir gelernt!

Dieses Modul dient als Abschluss. Für Sekundarstufe I und II erinnert das Kreuzworträtsel an die zentralsten Inhalte der einzelnen Module und bildet den Einstieg für den abschließenden Arbeitsauftrag: die Erstellung eines kreativen, abrundenden Beitrags. In der Primarstufe kann gleich mit der kreativen Arbeit begonnen werden. Zu jedem Modul werden von verschiedenen Gruppen die wichtigsten Themen erarbeitet und in der letzten Unterrichtseinheit präsentiert.

 

 

 

Modulziele

Die Schülerinnen und Schüler

– wiederholen die wichtigsten Informationen der einzelnen Module.

– setzen sich im Zuge des kreativen Abschlussprojekts mit den Inhalten der Module erneut auseinander.

 

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