Interaktionskompetenz von Lehrpersonen: Veranschaulichung von Strategien für eine sprach(en)sensible Gesprächsführung

Einleitung

Interaktionskompetenz meint die Fähigkeit von Lehrpersonen und Lernenden, Interaktion, also aufeinander bezogenes (sprachliches) Handeln, als Werkzeug für das Lernen zu begreifen und zu nutzen (vgl. Walsh 2011, 132). Die bewusste Gesprächsführung trägt dazu bei, im Gespräch, im wechselseitigen Sprachhandeln gezielt Lerngelegenheiten zu schaffen und nutzbringend zu gestalten.

Einen wesentlichen Teil der Interaktionskompetenz stellen die Strategien für eine sprach(en)sensible Gesprächsführung dar, die von Prof. Dr. Daniela Rotter, Mag. Brigitte Solstreif und Prof. Dr. Simone Naphegyi zusammengefasst und in einer Handreichung des ÖSZ (2022) veröffentlicht wurden. Mithilfe dieser Strategien können interaktiv, also im Gespräch mit Schüler*innen, Lerngelegenheiten geschaffen werden.

 

 

 

Dazu werden nach einer Vorstellung der Handreichung sowie einem kurzen theoretischen Input drei authentische Videoausschnitte aus der Praxis präsentiert, die anschließend mit den dazugehörigen Transkripten analysiert werden.Dabei steht die Perspektive auf die Herausforderungen in der Praxis im Vordergrund: Wie können die Lernenden durch eine bewusste Gesprächsführung von der Alltagssprache mehr und mehr zur Bildungssprache geführt werden.

Anhand des folgenden Videobeispiels werden einige der oben angesprochenen Strategien einer sprach(en)sensiblen Gesprächsführung illustriert. Es zeigt eine Dialogische Bilderbuchbetrachtung zwischen einer Studentin und mehrsprachigen Kindern, die Deutsch als ihre Zweitsprache sprechen. Das Video entstand im Zuge der „Lingusti-Sprachwerkstatt 2022“, die als Kooperationsprojekt zwischen dem Verein „SprachSchatz“ und der Pädagogischen Hochschule Steiermark stattfand.

 

Die Handreichung

Die Handreichung „Strategien für eine sprach(en)sensible Gesprächsführung in der Primarstufe“ nimmt die mündliche Interaktion zwischen Lehrperson und Lernenden in den Blick und veranschaulicht anhand authentischer Dialoge aus dem Unterricht sprachsensible Gesprächsstrategien.

Dabei werden folgende vier Hauptstrategien und ihre Teilstrategien
erklärt:

Inhaltliches Verstehen sichern
Gelegenheiten für Output schaffen
Modelle für Bildungssprache liefern
Erstsprachliche Ressourcen nutzen

Die im Video „Interaktionskompetenz: Theorieinput“ und der Handreichung präsentierten Strategien zur Gesprächsführung dürfen nicht als reine Techniken verstanden werden, sondern müssen in ein stimmiges Interaktions- und Kommunikationsverhalten einfließen. Es bedarf einer übergeordneten Motivation für deren Einsatz im Gespräch mit Kindern (vgl. Rotter, 2023 und Rotter/Naphegyi, 2024).

Interaktionskompetenz

Interaktionskompetent zu handeln bedeutet zunächst, eine Atmosphäre zu schaffen, die die Lernenden anregt, sich an einem Gespräch zu beteiligen. Sprachlich-interaktionale Ressourcen sind hier u. a. ein freundlicher Blick sowie eine offene, ermutigende und einladende Körperhaltung. Als Gesprächspartnerin achtet man bewusst auf die Übereinstimmung zwischen der Art zu sprechen und dem pädagogischen Ziel. Wenn das Ziel beispielsweise ist, die Lernenden zum Sprechen und aktiven Verwenden der Zweitsprache zu motivieren, sind Themen zu wählen, die sich an den Interessen und Bedürfnissen der Lernenden orientieren. Zusätzlich schafft die interaktionskompetente Lehrperson Raum für Lernen, indem sie die Interaktion verlangsamt, also Wartezeiten gibt, Redundanzen schafft, wiederholt und zusammenfasst, was bereits geäußert wurde, um den Lernenden mehrfach die Chance zu bieten, zu verstehen, was gemeint ist. Redebeiträge der Lernenden werden nicht nur hinsichtlich des Inhalts evaluiert, sondern genutzt, um diese zu formen. Dieses Formen (sog. shaping) der Redebeiträge wird als besonders erwerbsunterstützend betrachtet. In diversen Publikationen werden die Strategien dazu aufgezählt (vgl. ÖSZ, 2022). Da aber jedes Gespräch einzigartig ist und auch nicht planbar, braucht es mehr als die reine Kenntnis der verschiedenen Strategien.

Die im nebenstehenden Video und der Handreichung präsentierten Strategien zur Gesprächsführung dürfen nicht als reine Techniken verstanden werden, sondern müssen in ein stimmiges Interaktions- und Kommunikationsverhalten einfließen. Es bedarf einer übergeordneten Motivation für deren Einsatz im Gespräch mit Kindern (vgl. Rotter, 2023).

Praxisbeispiele für eine sprach(en)sensible Gesprächsführung

Um eine interaktionskompetente Lehrperson zu werden, bedarf es einer bewussten Wahrnehmung von und Auseinandersetzung mit der eigenen Gesprächsführung mit Lernenden. Dafür erscheint es sehr sinnvoll, sich selbst im Gespräch mit Schüler*innen mittels Audioaufnahmegerät oder Video aufzunehmen und diese Aufnahme anschließend zu transkribieren. Ein Transkript ist besonders geeignet, um die Wahrnehmung für das tatsächlich Gesagte zu schärfen, denn oft werden viele Merkmale der gesprochenen Sprache erst im Transkript sichtbar.

Videosequenz analysieren 1

 

Hier werden vor allem die Strategien „Reformulieren“ und „Erweitern“ der sprach(en)sensiblen Gesprächsführung gezeigt. Wenn Sie die Analyse eigenständig durchführen wollen, stoppen Sie das Video bei Min. 2:40 und bearbeiten Sie dann den Arbeitsauftrag.

Videosequenz analysieren 3

 

In dieser Videosequenz der Dialogischen Bilderbuchbetrachtung zwischen einer Studentin und mehrsprachigen Volksschulkindern werden die bereits in Videosequenz 1 und 2 gezeigten Strategien einer sprach(en)sensiblen Gesprächsführung erneut und in einem anderen Gesprächszusammenhang sichtbar gemacht. Wenn Sie die Analyse eigenständig durchführen wollen, stoppen Sie das Video bei Min. 2:26 und bearbeiten Sie anschließend den Arbeitsauftrag.

 

 

Die bereits erwähnten Strategien werden in den Transkripten sichtbar und können anschließend für die Einschätzung der eigenen Interaktionskompetenz herangezogen werden.

In den folgenden 3 Videos werden anhand von realen Gesprächssequenzen aus der Lingusti Sprachwerkstatt 2022 die Strategien einer sprach(en)sensiblen Gesprächsführung und damit auch die Interaktionskompetenz sichtbar gemacht. Ausgangspunkt des Gesprächs ist eine Dialogische Bilderbuchbetrachtung zwischen einer Studentin und mehrsprachigen Volksschulkindern.

Videosequenz analysieren 2

 

Hier werden einige der Strategien einer sprach(en)sensiblen Gesprächsführung, v.a. das „Elaborieren“, sichtbar gemacht. Wenn Sie die Analyse eigenständig durchführen wollen, stoppen Sie das Video bei Min. 2:41 und bearbeiten Sie dann den Arbeitsauftrag.

Bezug zum eigenen Unterricht und zur Unterrichtsplanung

Interaktionskompetenz ist eine trainierbare Fähigkeit, die sich jede*r aneignen kann. Wenn interaktionskompetente Lehrpersonen ihren Unterricht gestalten, schaffen sie Raum für echte, reale, bedeutungsorientierte Gespräche, die die Schüler*innen zum aktiven Sprachhandeln anregen. Interaktionskompetent zu handeln kann zu einer Routine werden, die, wenn man sich damit einmal intensiv auseinandergesetzt hat, keines zusätzlichen Mehraufwandes bedarf, sondern eher einer “Schatzkiste” entspricht, auf die man als Lehrperson jederzeit und in unterschiedlichsten Kontexten zugreifen kann und die die sprachliche Bildung der Lernenden langfristig unterstützt.

Im nebenstehenden Video wird erläutert, wie es als Lehrperson gelingt, die Strategien einer sprach(en)sensiblen Gesprächsführung in den Unterricht bzw. in das Unterrichtsgeschehen zu integrieren. Es wird auch ein kurzes Beispiel gezeigt, was u.a. eine genutzte sprachliche Lernsituation im Unterrichtsalltag sein kann und wie damit als Lehrperson umgegangen werden kann.

 

 

 

Offener Moodle-Kurs „Vignettenbasierte Lernanlässe für die Hochschullehre“

Als Erweiterung dieses Themenpakets dient der offene Moodle-Kurs „Vingettenbasierte Lernanlässe für die Hochschullehre“. Er entstand im Projekt „Lingusti – ein Praxis- und Forschungslabor“, das an der PH Steiermark in Kooperation mit dem VereinSprachSchatz, dem BIMM und der KPH Wien/Krems durchgeführt wurde. 

Im Moodle-Kurs finden Sie 4 Trainingseinheiten für die Hochschullehre, die jeweils aus einer kurzen Videosequenz, einem kommentierten und leeren Transkript dieser sowie einem Bericht über den Einsatz in der Lehrpraxis an der PH Steiermark bestehen. Die Videosequenzen entstanden im Zuge der “Lingusti-Sprachwerkstatt”, einem außerschulischen Programm des Vereins SprachSchatz für mehrsprachige Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen.  

Die Interaktionskompetenz von Lehrpersonen und die Aneignung der sprachlich-interaktionalen Strategien kann mithilfe der 4 Trainingseinheiten anschaulich anhand von Videosequenzen dargestellt werden.

Der moodle-Kurs ist über den nebenstehenden Link mit dem Gastschlüssel „Lingusti“ offen zugänglich.

Weiterführende Hinweise: Literaturempfehlungen

Österreichisches Sprachen-Kompetenz-Zentrum (Hrsg.) (2022): Strategien für eine sprach(en)sensiblen Gesprächsführung in der Primarstufe. Graz: ÖSZ.

Rotter, Daniela/Naphegyi, Simone (2024): Unterrichtsgespräche achtsam und sprach(en)sensibel führen. In: Grundschulmagazin, S. 2–6.

Rotter, Daniela (2023): Salutogene Kommunikation und Motivation in der Sprachförderung mehrsprachiger Kinder. In: Erziehung und Unterricht 5, S. 833–841.

Walsh, S. (2011): Exploring classroom discourse: Language in action. London/New York: Routledge.

Walsh, S. (2013). Classroom Discourse and Teacher Development. Edinburgh: Edinburgh University Press.

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